Feb
14

Das Rad der Zeit


Also sprach der Dorfälteste - Hallo Leute - wir müssen die Zeit anhalten - sie rast vorwärts - immer weiter vorwärts - viel zu schnell - kaum versieht man sich - da ist schon wieder 1 Stunde 1 Tag 1 Woche 1 Monat 1 Jahr vorbei - Männer, Frauen - hört mir zu - so darf das nicht weitergehen - wie soll man denn so überhaupt zum Leben kommen? - ständig sitzt einem die Zeit im Nacken - ständig hört man ein bedrohliches Ticken - nie kann man sich mit voller Muße etwas hingeben - denn die Zeit jagt ständig weiter - und sie bringt uns immer näher an das Ende - sie bringt uns immer näher zum Tod - Leute, es wird Zeit - dass wir uns gegen die Zeit wehren - lasst uns aufbrechen - das Rad der Zeit zu suchen - ich stelle einen Trupp von Freiwilligen zusammen - einen Trupp von Zeitjägern - wir werden es schon finden - das Zeitrad - und dann werden wir es festhalten - wir werden verhindern, dass es sich weiterdreht - dann ist die Diktatur der Zeit beendet - wir werden alle Zeit der Welt für uns haben.

Und sie brachen auf - eine Gruppe unerschrockener Männer - sie reisten nach Norden, Osten, Süden und Westen - aber nirgends konnten sie das Zeitrad finden - schließlich kamen sie wieder zu ihrem Ort zurück - von wo sie aufgebrochen waren – da ergriff der Dorfälteste wieder das Wort - Leute - lasst uns nachdenken und diskutieren - wieso haben wir das Zeitrad nicht gefunden? - viele Gedanken und Meinungen wurden geäußert - es gibt kein Zeitrad - sagte einer - das Zeitrad ist unsichtbar - sagte eine andere - das Zeitrad ist im Himmel - sagte ein dritter - es gibt gar keine Zeit - die existiert nur in unserer Einbildung - das sagte der Dorf-Philosoph - aber es half auch nicht weiter - schließlich meinte eine fünfte - in jedem Ding und in jedem Lebewesen ist ein Zeitrad - aber das war ihnen zu hoffnungslos - da sprach ich - Leute - ich hatte eine Vision - und zwar sah ich - was? - schrien die Leute - ich sah - dass das Zeitrad unser Mühlrad ist - das Rad unserer Ortsmühle - nur das müssen wir anhalten - zunächst tobten und lachten die Leute - aber dann sprach der Dorf-Philosoph - lasst es uns doch versuchen - probieren geht über studieren - und das ist eine verdammt merkwürdige Aussage für einen Philosophen.

Sie zogen also zur Mühle - aber so sehr sie sich auch bemühten - mit Muskelkraft schien das Rad der Zeit nicht anzuhalten sein - deshalb banden sie immer mehr Seile an das Rad - und da begann es tatsächlich langsamer zu laufen - plötzlich erkannte der Philosoph die Gefahr - Leute - schrie er - merkt Ihr nicht? - wir bewegen uns auch immer langsamer - wir dürfen das Zeitrad nicht anhalten - aber sie hörten nicht auf ihn - immer weiter beschwerten sie den Lauf des Rades - und plötzlich hielt es an - und die Welt und alles Leben auf ihr erstarrten in absoluter Bewegungslosigkeit.

Autor Stefan Sternau
Leselupe.de geschrieben am 14.02.2015 von Indianerle

Schlagwörter

fantasy, märchen, zeit

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Kommentare von anderen Usern

Avatar BlackPanther schrieb am 05.09.2017 folgenden Kommentar:
Wir sind Söldner - die Zeit schenkt uns das Leben. doch durch diesen Pakt sind wir an die Zeit gebunden, doch die Zeit auch an uns. denn was währe die Zeit ohne jemanden, der sie atmet, wahrnimmt, verbraucht?

Avatar tommixyz schrieb am 20.02.2015 folgenden Kommentar:
jaj- die zeit die rennt im sauseschritt und wir - wir eilen immer mit