Apr
26

Wozu reden wir eigentlich miteinander?


Mir passiert es immer wieder, dass es in der Kommunikation mit anderen zu Mißverständnissen kommt. Die Ursache dabei ist immer wieder die gleiche: Ich meine, was ich sage und verstehe das, was gesagt wird. Genau das aber scheint kein Bestandteil der menschlichen Verständigung zu sein.

Beispiele gefällig? Ich machte mit Kollegen einen Ausflug. Privat, mein Mann und ich fuhren bei einer Kollegin und deren Mann in seinem Firmenwagen mit. Am Zielort hielt er am Straßenrand dicht neben einem Geländer - zu dicht. Ich berührte das Geländer mit der Tür und es platzte am Rahmen ein ca. 3 mm großes Stück Lack ab. Entschuldigen konnte ich mich nicht, weil die Kollegin sofort losbrüllte, wie sauer der Chef ihres Mannes sein würde und dass ich mich ja entschuldigen könne (wie denn, sie ließ ja niemanden zu Wort kommen).
Am nächsten Tag im Büro erzählte sie mir, der Chef ihres Mannes habe beschlossen, das ganze Auto neu lackieren zu lassen auf Kosten ihres Mannes. Daraufhin rief ich abends bei ihm an, entschuldigte mich (er wenigstens ließ mich ausreden) und erklärte ihm, dass ich den Schaden natürlich meiner Versicherung melden würde. Er schien völlig konsterniert, meinte erstmal, dass er schon mit einen Reparaturlack drübergegangen sei und woher ich das mit dem Neulackieren hätte. Mittendrin ging ihm wohl ein Licht auf, er rief in strengem Ton nach seiner Frau und legte dann auf.
Wieder im Büro putzte mich die Kollegin erneut herunter. Wieso ich ihrem Mann das erzählt hätte. er wäre jetzt sauer auf sie und ich würde ihre Ehe gefährden. Und sie hätte mit ihren Worten doch bloß bewirken wollen, dass ich ihren Mann zur Entschädigung auf ein Bier einladen würde oder sowas in der Art.
Da saß ich nun, war eine Lügnerin, eine Petze und eine Idiotin, weil ich alles falsch verstanden hatte. Und fragte mich, warum die gute Frau nicht gleich gesagt hatte, was sie wollte.

Meine Ausbildung habe ich in einem Berufsbildungswerk gemacht - dort sind hauptsächlich Leute, die ihren bisherigen Beruf aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit nicht mehr ausüben können - oder nie einen lernen konnte aufgrund ihrer Behinderung. Schon am ersten Tag kam meine Zimmernachbarin herüber, um mich einzuführen. Fand ich solange sehr nett von ihr, bis sie sagte: “Das ist hier ja nicht einfach, man muss mit Behinderten zusammensein, als wären das normale Leute.” Meine Antwort: “Dann geh raus - ich bin auch behindert, du brauchst nicht mit mir zu reden.” Pech für sie, dass man mir meine Behinderung nicht ansieht.
Sie entschuldigte sich daraufhin, so hätte sie das nicht gemeint und im nächsten Jahr verstanden wir uns doch recht gut. Und ich glaube, so schnell hat sie nicht mehr einfach etwas dahingesagt, was sie gar nicht meinte.

Auch umgekehrt funktionieren die Mißverständnisse gut. Ich wollte meine Tochter abholen, es gibt zwei mögliche Wege zu ihrem Internat und der eine war schon seit Wochen gesperrt. Nun aber sperrte die Feuerwehr die andere Route auch noch ab. Einer der Männer kam zu mir und meinte, ich solle umkehren, daraufhin fragte ich, wie ich denn nun an mein Ziel käme. Seine Antwort: “Sie kommen da nicht durch, verstehen Sie das doch, drehen Sie bitte um!”
Vermutlich haben ihn schon etliche Leute angebrüllt, wie er sich denn vorstelle, wie sie nun ans Ziel kommen sollten (als ob er persönlich schuld daran sei) und damit gemeint, er solle sie gefälligst durchlassen. Jedenfalls war er nicht mehr instande, meine Frage als das zu erkennen, was sie war - eine Frage nach einer Ausweichroute - und keine Beschwerde.

Auch ohne Stress werden Fragen gerne mißverstanden. So erkundigte ich mich auf einer Familienfeier, ob jemand Streichhölzer dabei hätte. Gleich drei Leute boten mir Feuerzeuge an und verstanden nicht, warum ich sie nicht nahm. Ganz einfach - ich wollte meinen gelangweilten Kindern ein Knobelspiel zeigen, bis das Essen kam und das geht nunmal nur mit Hölzchen. Der Wirt begriff besser, er half uns mit Zahnstochern aus ....

Ich frage mich oft, wie man solchen Mißverständnissen ausweichen kann. Sie entstehen ja dadurch, dass jemand etwas anderes sagt, als er meint oder hinter einer Frage einen Sinn zu sehen glaubt, der gar nicht dahinter steckt. Und ich begreife das einfach nicht: Warum sagen wir denn nicht gleich, was wir meinen? Warum können wir Fragen nicht einfach so beantworten, wie sie gestellt werden? Warum hören wir nicht einfach den anderen zu, anstatt unseren eigenen Interpretationen zu lauschen?

Oder anders gefragt - warum reden wir eigentlich miteinander? Ist doch irgendwie sinnlos ..... geschrieben am 26.04.2016 von Masmiie

Schlagwörter

reden, verständigung, kommunikation

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Kommentare von anderen Usern

Avatar BlackPanther schrieb am 18.08.2017 folgenden Kommentar:
Naja, im Fall der Streichhölzer hätte ich wohl gefragt wofür du die brauchst.

Avatar Mindmover schrieb am 29.04.2016 folgenden Kommentar:
Schöner Beitrag aus dem Alltag. Aber es wird wohl immer ein Herausforderung des Lebens bleiben Mißverständnisse in der Kommunikation zu erkennen und zu lösen. So ganz ohne Probleme wäre es sonst ja auch langweilig. Manchmal können solche Pannen auch sehr amüsant sein. Nicht den Kopf hängen lassen, Kommunikation muss immer geübt werden und manch einer tut sich damit schwerer als manch anderer.

Avatar lotosdino schrieb am 29.04.2016 folgenden Kommentar:
Hinhören und zuhören sind zwei verschiedene Dinge, die bei den meisten schon für Verwirrung sorgen, weil sie glauben, das es das Gleiche sei. Ich kann in einem Gespräch hinhören, aber nicht zu hören. Heisst ich höre zu, aber nehme den Inhalt nicht wahr, lasse es vorbeirauschen und verstehe nicht den Inhalt und was der andere von mir will, deshalb nicht zu hören. Kommunikation ist keine einfache Sache, aber es wird von vielen noch erschwert, in dem in Rätseln gesprochen wird. Mir hat mal jemand gesagt, dass es nicht auf meiner Stirn steht, was ich will und konkret sagen soll was ich möchte.Klare Ansagen ohne wenn und aber. Lass Dich nicht verunsichern von irgendwelchen Leuten, die nur halbe Sätze zustande bringen und du den Rest erraten sollst. Es gibt kein Ja, Nein oder doch vielleicht. Da muss man schon konkret werden.

Avatar PaulaSachsen schrieb am 26.04.2016 folgenden Kommentar:
ich sag ja immer: Ich bin für das verantwortlich was ich sage, aber nicht wie das bei meinem gegenüber an kommt und was er draus macht. das mit dem "nicht zuhören" kenn ich. Wenn du was erzählst und dein gegenüber redet von was ganz anderem. oder das hier. du zeigst/oder sagst irgendwas. Und plötzlich haste das Gefühl Du sitzt in ner Trommel von einem Schlagzeug. Weil der andere meint Dir sagen zu müssen was Du tun mußt/sollst wie auch immer. Unterbrechen kannste den nicht. Weil den gar nicht interessiert, was Du sagen willst.

Avatar Masmiie schrieb am 26.04.2016 folgenden Kommentar:
Bei mir kommt allerdings noch hinzu, dass man aneckt, weil man auf das reagiert, was gesagt wird. Also die Worte durchaus zur Kenntnis nimmt und nichts hineininterpretiert, der andere aber mit seinen Worten etwas ganz anderes sagen wollte. So als ob "Die Amepl ist grün" bedeuten sollte, dass die Ampel rot ist .... wie soll man das bitteschön erraten?

Avatar Masmiie schrieb am 26.04.2016 folgenden Kommentar:
Ganz recht - "die Ampel ist grün" ist eine Info und die meisten Menschen verstehen "Fahr gefälligst los!". Ich hatte in Psycho noch den Dialog: Was ist denn das Grüne in der Suppe? - Iß doch im Restaurant, wenns dir nicht schmeckt! Aber das Thema ist alles andere als alt, es kommt jeden Tag wieder, wie das Murmeltier.

Avatar Jonas01 schrieb am 26.04.2016 folgenden Kommentar:
"Die Ampel ist grün." - im Prinzip ist das von dir beschriebene nichts anderes als die Modelle von Schulz von Thun oder Watzlawick ;)