Aug
03

Die Gleis-Mörder


So zumindest nennen es die Medien – ich frag mich immer noch, wer für die schreibt. Denn ich persönlich empfinde es nicht als Mord, wenn man ein Zuggleis vernichtet. Achso – die Leute haben ja kein Gleis ermordert, sondern Menschen auf es heruntergeschubst. Aber die Presse braucht mal wieder eine aufwühlende und völlig unsinnige Schlagzeile ….

Aufwühlend ist hier das richtige Wort. Denn die (bis jetzt) letzte derartige Tat hat die Menschen in Deutschland aufgewühlt und erschüttert. Auf jeder Nachrichtenseite finde ich ein Dutzend Artikel dazu, es grassieren Bilder im Internet mit Blumen und Stofftieren am Tatort und der Frage „Warum?“, eine Spendensammlung für die Angehörigen – und Forderungen, „solche“ Menschen nicht mehr ins Land zu lassen. Herr Seehofer hat inzwischen eine erste Lösung gefunden: Während viele Menschen dafür plädieren – und das nicht erst seit heute – die Bahnsteige technisch abzusichern, möchte unser Minister mehr Polizeipräsenz auf den Bahnhöfen. Und schärfere Kontrollen an der Schweizer Grenze. Um derartige Morde von vorneherein auszuschließen.

Ich stelle mir das grad vor: Menschen betreten den Bahnsteig, werden von Polizisten angehalten und befragt: Haben Sie vor, jemanden vor die Bahn zu werfen? Wer bejaht, darf den Steig nicht betreten. Oder die Menschen tragen Schilder: Ich werfe gleich jemanden vor den Zug. Damit die Polizisten, die ja den ganzen Bahnsteig überwachen müssen, gleich wissen, wo die Gefahr lauert. Andere Vorgehensweise: Die Polizisten lassen sich alle Ausweise zeigen und folgen dann jedem, der Migrationshintergrund hat, denn Deutsche tun so was ja nicht. Nur Leute, die aus der Schweiz zu uns kommen.

Oder möchte Herr Seehofer so viele Polizisten einsetzen, dass das Gleis komplett gesichert ist? An jedem Gleis eine Polizistenkette von einem bis zum anderen Ende, die sich erst auflöst, wenn der Zug eingefahren ist?

Das, mit Verlaub, ließe sich technisch einfacher und billiger lösen: Ein Gitter zwischen Bahnsteig und Gleis, welches erst herunterfährt, wenn das Gewicht eines Zuges auf den Schienen lastet. Das wäre sogar rein mechanisch machbar, ohne Energieverbrauch im Betrieb und manipulierbare Sensoren. Und es würde nicht nur gegen Schubser (absichtlich oder unabsichtlich) wirken, sondern auch gegen wegrollende Kinderwägen, Betrunkene oder einfach unglücklich gestolperte Menschen und „mutige“ Jugendliche, die testen wollen, wer es am längsten im Gleisbett aushält. Denn auf diese Art sind schon so viele Menschen ums Leben gekommen, dass die Forderung, die Gleise abzusichern, schon mehrmals und immer öfter laut und noch lauter geworden ist. Leider nicht laut genug, dass sie bei den tauben Ohren der Verantwortlichen angekommen wären. Nur in München plant man schon seit längerem eine ähnliche, leider nur für U-Bahnen geeignete Lösung. Die aber erst jetzt realisiert wird, denn hunderte Unfälle pro Jahr sind kein Argument für diejenigen, die das bezahlen sollen. Ein einziger Mord hingegen schon.

Nun also ist wieder einmal jemand zu Tode gekommen. In diesem Fall handelte es sich um Mord, das Opfer ist ein Kind und der Täter ein Migrant. Grund genug für viele, die vorher schwiegen, nun zu schreien. Nicht etwa über die Unsicherheit der Gleise – auch Herr Seehofer findet nicht die Bahnsteige per se gefährlich, sondern die Anwesenheit von „Fremden“ an denselben. Nein, viele haben sich bei Bekanntwerden der Tat gleich über die Herkunft des Täters informiert. Und haben sichtlich aufgeatmet – endlich ein Migrant, endlich eine Tat, mit der man die Menschen aufhetzen kann und ihnen klar machen, dass Migranten ja nur ins Land kommen, um Deutsche zu töten.

Wäre das die erste derartige Tat gewesen, könnte ich den Aufschrei vielleicht verstehen. Leider war sie das nicht. Erst wenige Tage zuvor stieß in Voerde ein Mann eine Frau – und Mutter – ins Gleis, auch sie starb. Auch hier wurde eifrig gebohrt, gewisse Medien berichten davon, wie sie sich bei der Polizei erkundigt hatten. Nicht über den Tathergang, nicht über die möglichen Motive, nein, einzig allein die Nationalität des Täters interessierte sie. Und die enttäuschte, der Täter gilt zwar als Serbe, ist aber in Deutschland geboren und aufgewachsen, also nicht „fremd“ genug. Aber jetzt, endlich, ein Eritreer mit psychischen Problemen, die laut Presse natürlich nur vorgeschoben sind. Nebenbei gesagt, Eritrea ist schon seit Jahren die reine Hölle für alle, die da leben, ich würde mich eher über einen seelisch völlig gesunden Menschen dort wundern. Wobei für mich psychische Probleme zwar eine Erklärung für eine solche Tat, aber weder eine Entschuldigung noch eine Entlastung sind.

Aber gehen wir von Eritrea zurück aufs Bahngleis. In dem schon viele Menschen den Tod fanden. Eine 20jährige beispielsweise, die von einem Hamburger „mit Anlauf“, wie die Medien schrieben, hinuntergestoßen wurde. Zwei 16-jährige, die mit einem dritten von gleichaltrigen Deutschen geschubst wurden – der dritte konnte sich noch retten. Auch der 43-jährige, den ein 18-jähriger Deutscher nach einem Streit mit jemand anderem angriff, kam dank aufmerksamer Mitpassanten zwar nicht ohne Verletzungen, aber mit dem Leben davon. Ebenso überlebten zwei Frauen, welche ein Nigerianer ins Gleis schubsen wollte – mit der einen hatte er sich gestritten, die andere hatte vermitteln wollen. Keine dieser Taten hat auch nur annähernd so große Aufmerksamkeit erreicht wie der jüngste Mord. Offenbar waren sie weniger interessant, denn entweder waren die Täter Deutsche oder das Opfer hatte überlebt. Nicht genug Ansätze also zum Hetzen …

Denn das Hetzen scheint wichtiger zu sein als alles andere. Ich finde die Tat an sich entsetzlich, egal wer es tut und mir tun Opfer und Angehörige leid. Auch dann, wenn der Täter deutsch war. Und ich denke über Wege nach, so etwas in Zukunft zu verhindern. Nicht nut Morde, sondern auch Anrempler und Stolperer können schuld sein, wenn ein Leben auf diese Art beendet wird und ich bin der seltsamen Meinung, dass man dann gegen alle Ursachen vorgehen sollte und nicht nur gegen die am wenigsten auftretende. Denn so schrecklich so ein Mord ist – die wenigsten Menschen, die unter eine Bahn geraten, wurden ermordet. Wenn Herr Seehofer uns vor derartigen Morden, nicht aber vor zufälligen Remplern, Ausrutschern und Rollstühlen mit defekten Bremsen schützen will, dann verstehe ich die Logik dahinter überhaupt nicht. Und dass die Lösung dann sein sollte, keine Migranten mehr ins Land zu lassen, wie gewisse Medien fordern, auch nicht. Stolpern Deutsche denn nie?

Dass in Voerde nicht mehr Opfer zu beklagen sind, ist übrigens einem Migranten zu verdanken. Es war ein Iraker, der den Täter sofort festhielt, bis die Polizei kam. Man stelle sich vor, wir hätten diesen Mann nicht ins Land gelassen … geschrieben am 03.08.2019 von Masmiie

Schlagwörter

bahnsteig, gleis, mord, unfall, migranten, deutsche, seehofer

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Kommentare von anderen Usern

Avatar raserl schrieb am 03.08.2019 folgenden Kommentar:
Menschen sind Menschen, egal von welchen Land. Ich habe auch noch nie von einer "ZUGSTOSS" Erkrankung gehört. Man müsste sie dann schon in den Katalog psychischer Erkrankungen aufnehmen. Was in einem solchen Augenblick in einem Täter vorgeht, hat was mit allgemeiner Frustration und Erregung die auf das Ziel bestimmt nicht gerichtet war zu tun. Menschen kann man nicht ansehen wann sie durchbrennen und darum gebe ich dir recht das die allgemeinen Sicherungen mit dem Vortschritt auch mithalten müssen. der Sparstift ist hier nicht anzusetzen. Und , soll er mich doch verklagen: DER SEEHOFER IST EIN TROTTEL UND SESSELKLEBER. weg mit ihm. so den Punkt für die Wette bekommst du von mir nicht, den dein Beitrag war gut