Dec
25

Der Geist der wahren Weihnacht


So gut wie jeder kennt die Geschichte von Ebenezer Scrooge und den drei Geistern (Charles Dickens). Und doch kennt kaum jemand den 4. Geist, den der wahren Weihnacht. Er wird leider immer seltener tätig, auch wenn wir uns das noch so sehr einreden mögen in unserer inzwischen kranken, stressigen Businesswelt, in der man sich einfach mal einen Moment Ruhe nehmen und ein bisschen aufwachen sollte. Hier eine kleine Geschichte, die, wenn sie weitergetragen wird, unsere Welt vieleicht ein kleines bisschen heilen kann.

Ich stehe am Glühweinstand und krame in meinem Portemonnaie nach den richtigen Münzen, Scheine habe ich keine mehr. Die Leute schimpfen, ich würde schließlich `den Betrieb blockieren`, tue ich ja auch.. aaaaber machen sie mir Platz, um an einen der Tische zu gehen und dort weiterzukramen? Nein, im Gegenteil, ich kann mich kaum rühren, was mein Unterfangen natürlich erheblich erschwert. Nachdem ich endlich bezahlt habe, nehme ich mir den Kinderpunsch und will zu meinen Freunden, als ein älterer Herr mich anrempelt; der Punsch ergiest sich über meine Sachen und mich; ein Teil davon landet auf den Schuhspitzen des Fremden. "Kannst du nicht aufpassen, du dummes, vorlautes Gör?!?" Ist das der Geist der wahren Weihnacht? Nein.

Ein andernmal fragt mich eine Freundin, ob ich Lust hätte, mit ihr einen Film anzusehen. Ich verneine, da ich noch auf den Weihnachtsmarkt gehen will und Geschenke (auch und vor allem für sie) besorgen. "Kann ich nicht einfach mitkommen?", fragt sie mich. "Aber dann es ja keine Überraschung mehr", begründe ich. "Ach komm schon, du bist sowieso immer auf Achse und unterwegs in letzter Zeit! Und das in der Adventszeit, die man doch besinnlich, ruhig und mit seinen Liebsten verbringen sollte!", wirft sie mir entgegen. "Na, dann eben viel Spaß noch." Sie klingt eingeschnappt. Dreht sich um und geht. Ist das der Geist der wahren Weihnacht? Nein.

Wie bedröppelt sitze ich da, als mir einfällt, dass heute Freitag ist und ich dann sowieso keine Zeit habe. Also muss ich meine letzten Weihnachtseinkäufe mal wieder auf den 24. verschieben.

Am Heiligabend allerdings backt die ganze Familie erstmal Plätzchen. Ich mache mit, so gut es geht, bin aber so hibbelig, dass ich lieber keine Eier aufschlage.Sobald das Gebäck im Ofen ist, schnappe ich Jacke, Schlüssel, Portemonnaie und schwinge mich auf mein Rad. Wie der Blitz düse ich zum Weihnachtsmarkt,der Biomarkt daneben hat auch heute auf, aber die Verkäuferin will in 20 Minuten schließen. Ich rase durch die Gänge und schnappe mir die Sachen, die ich mir vorgemerkt hatte. Eine Dame schüttelt den Kopf und meint: "Diese Jugend von heute - immer müssen sie rumrasen. Sind immer auf Zack und nehmen keine Rücksicht." Ich bin ihr nicht näher als zwei Meter gekommen und lasse ihr den Vortritt an der Kasse, was für Rücksicht will sie noch? "Geht doch", murmelt sie. Von der Verkäuferin hingegen höre ich: "Immer auf den letzten Drücker und dann noch drängeln, was?" Dabei bin ich lange vor Ablauf der zwanzig Minuten an der Kasse gewesen. Ich bezahle schnell, packke alles in meinen Fahrradkorb und flitze nach Hause. Dabei dröhnen mir all die Schimpftiraden der letzten Tage im Kopf.Ist das der Geist der wahren Weihnacht? Nein.

Schnell, aber sorgfältig verpacke ich die Geschenke, mein Bruder steht Wache, dass keiner reinkommt. Dann legt er meine Päckchen unter den Baum, während ich mich rasch umziehe. Komme ins Wohnzimmer und traue meinen Augen nicht, alle haben auf mich gewartet, selbst der Kater - der aber wohl eher auf den Lachs wartet, den er erst bekommt, wenn wir den Racletteofen einschalten. Nach dem Essen zeigen mein Bruder und ich, dass wir nicht nur als Geschwister, sondern auch musikalisch zusammenpassen - Jingle Bells mit Gitarre und Schlagzeug gefällt allen Zuhörern und heimlich (oder unheimlich) Mitsingenden.

Meine Freundin nimmt mich zur Seite und ich halte unwillkürlich die Luft an. Gibt es jetzt wieder Krach? Im Gegenteil: "Du, es tut mir leid, dass ich dich so angegangen bin. Ich war im Streß und es ist wohl mit mir durchgegangen ..." Ich atme erleichtert auf und lege ihr den Arm um die Schulter. "Kein Problem, es ist alles gut und außerdem hätte ich echt mehr Zeit mit dir verbringen können." Prompt werde ich unterbrochen: "Weißt du, eigentlich hatte ich auch kaum Zeit. Lass uns das vergessen und einfach Weihnachten feiern." Und so wird es noch ein schöner und besinnlicher Abend, jeder genießt die gemeinsame Zeit. Ist das der Geist der wahren Weihnacht, ihres ursprünglichen Sinnes, des frohen Miteinanders? Ja, wahrhaftig, er ist es. geschrieben am 25.12.2017 von BlackPanther

Schlagwörter

weihnachten, geist, wahrer sinn

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Kommentare von anderen Usern

Avatar Beaslie99 schrieb am 26.12.2017 folgenden Kommentar:
Die gemeinsame Zeit sollte man viel mehr geniesen (können). Zu schnell kann sie vorbei sein. Sehr schöner Blog, BP :)

Avatar Petra59 schrieb am 26.12.2017 folgenden Kommentar:
Ich denke hier findet sich jeder selber wieder, mal auf der einen und dann wieder auf der anderen Seite.
Mal ist man gestresst von dem Anderen, weil man es eilig hat und ein andermal wird man selber angemotzt. Man neigt viel zu schnell dazu den eigenen angestauten Frust einfach abzulassen ohne sich darüber Gedanken zu machen.

Avatar Indianerle schrieb am 26.12.2017 folgenden Kommentar:
ja, weihnacht ist nicht nur die zeit des sinns des frohen beisammenseits. sondern steht auch für hilfe für bedürftige die so gut wie nichts mehr haben. kinder die noch nicht einmal mehr eltern haben,andere die weitaus weniger haben als ich. rücksicht auf andere menschen nehmen. sie verstehen zu wollen aber dafür muß ich zuhören können und verstehen. in der heutigen zeit kaum mehr möglich. die zeit wo man über weltfrieden nachdenken sollte der bei jedem einzelnen anfängt. das bedeutet andere kulturen zu verstehen und geht nicht von heute auf morgen. weihnachten steht für viel mehr noch.

Avatar Masmiie schrieb am 26.12.2017 folgenden Kommentar:
gerade wenn sies eilig haben, empfinden viele Menschen oft jeden als Hindernis, der vor ihnen dran ist und gerade Kinder und Jugendliche bekommen das gerne ab, "die haben ja genug Zeit". Was vor allem bei dir nicht zutrifft, wo willst du neben Schule, Hausis, Musikunterricht und Internatsaktivität noch groß Zeit hernehmen?