Jun
30

Schüsse in die Luft


Disclamer: dieser Text soll Gewalt keineswegs verherrlichen oder empfehlen, er soll nur erklären, wie es dazu kommt.

„Wer handgreiflich wird, ist ungebildet!“ - „Wer gewalttätig ist, kann sich nicht artikulieren!“ - „Wer zuschlägt, der kennt keine Worte! “ - „Wer schießt, ist entweder ein von Grund auf schlechter Mensch, oder hat ein Kindheitstrauma. Bestimmt wurde er/sie nicht genug geliebt.“

Das sind die häufigsten Antworten auf die Frage: Wie konnte das passieren? Wieso ist jemand gewalttätig? Meiner Ansicht nach wird niemand „einfach so“ brutal. Ich finde die obigen Gründe keineswegs falsch, doch ich denke, dass es eine gemeinsame Ursache gibt, die viel zu selten erwähnt wird: Verzweiflung.

Nun könnte man davon ausgehen, dass die Verzweiflung dort wohnt, wo man nichts hat. Und das ist klarerweise da, wo Menschen in materieller Armmut leben. Oder? Nein, auch da, wo Menschen jung sind.

Die Babyboomer hatten die Friedensbewegung. Generation x den Umweltschutz. Die Millenials setzten sich für Selbstverwirklichung und Anti-Terror ein. Jetzt stehen wir vor Generation Z. Die Generation der Einzelkämpfer, der „Smombies“, die Generation, die unselbstständig, teilnahmslos ist oder Mist baut. Aber vor allem die Generation, die müde ist. Unglaublich müde. Denn die Prognosen werden immer schlechter, und das Kämpfen lohnt nicht mehr.

Denn erst, wenn man sein Leben komplett umstellt, erreicht man immerhin fast anstatt gar nichts. Und vor allem: wogegen soll man bitte protestieren? Was kann man erneuern und verbessern?

Umweltschutz?
„Gestern hab´n die auch schon gesagt, die Welt geht unter, und wir haben damals schon nicht zugehört. Und wir leben immer noch. Zwar nicht mehr lange, aber immer noch.“

Gegen Krieg?
„Hä, in Deutschland ist doch gar kein Krieg. Was, Afghanistan, Irak, Jemen? Achso, das. Ja voll geil, ne? War neulich auch im Krieg mit meinem Bestie, bei so nem Ego-Shooter, die hab´n bestimmt voll Spaß da. Da würd ich auch mal gerne mitmachen.“

Diktatoren und schlecht geführte Regierungen?
„Aber die hab´n den doch gewählt. Außerdem, was soll ich denn machen? Dem die Bude einrennen und sagen `Ey, so geht das nicht, du machst alles kaputt, und übrigens, keiner mag dich` und mich dann mit ihm hinsetzen und schauen, wie man das wieder hinkriegt?“


Wie kriegen wir das wieder hin? Früher hab ich diese Frage voller Elan gestellt. Doch wenn ich diese Frage heute höre, denke ich nur: ´lass gut sein, Kind.´ Wenn man feststellt, das die Konsumtaktik der Unternehmer nicht mal ökonomisch Sinn macht, ganz zu schweigen davon, das die Menschen, die das anordnen eben das sind, Menschen, vielleicht mit Kindern die die Auswirkungen schon direkt zu spüren beginnen und sie jedes Argument mit „Ja, stimmt, wir bauen Mist und du hast recht und wir machen trotzdem weiter.“ Oder „Du bist zu jung, zu unerfahren (sprich: dumm) um das zu verstehen.“ („Und du bist alt und immer noch nicht klug!“, möchte man erwidern), [i]kommen einem glatt die Tränen. Und mit den Tränen die Verzweiflung. Wenn jemand anders allen Mist einbrockt, du konstruktive Kritik plus Lösungsvorschläge vorbringst, das ganze zig mal erklärst und sogar anbietest, das ganze zu übernehmen und der Gegenüber immer noch nicht zuhört, brauch er sich meiner Meinung nach nicht wundern, wenn ihm der Gegenüber, so friedliebend und gut gebildet er auch sein mag ordentlich eine langt - weil es ihm halt auch mal langt. (Was jedoch keineswegs eine Entschuldigung ist.)

Das seltsamste ist für mich ist dabei jedoch, das genau die Leute, an die „Fridays for Future“ sich richtet, vom Alter her die erste „Love and Peace Generation“ sein müsste. Was ist aus Euch geworden? Was hat euch so verändert, das ihr auf der anderen Seite steht, obwohl ihr es besser wisst? Oder war es euch am Ende doch nicht so ernst?

Wer mich kennt, weiß, dass ich im Grunde genommen friedliebend bin. Doch wenn ich mir dass so anschaue, würde ich am liebsten schießen; drei Schüsse in die Luft. Nicht auf Menschen oder Häuser, einfach in die Luft. Vor den Menschen, die nie zuhören. Denn Schüsse sind lauter, persönlicher als jeder Schrei. Sie rufen: „Ich meine es ernst, ich bin zu allem Bereit. Wenn ihr mich jetzt immer noch ignoriert, erfahrt ihr Schmerz. Und dieser Schmerz ist nicht, wie in den Argumenten, meilenweit entfernt; dieser Schmerz ist hier, er ist jetzt, und er ist real. So real wie der seelische Schmerz und die Ungeduld in mir, und wenn ihr nicht endlich mal hört, dann gebe ich das physisch an euch weiter.“

Das ist kein Weckruf, denn wer den tausendsten Wecker nicht hört, überhört auch den tausendundersten. Das hier ist eine Gute-Nacht-Geschichte. Weil wir fertig sind, und müde. Alle. geschrieben am 30.06.2020 von BlackPanther

Schlagwörter

generation z, hoffnungslosigkeit, gewalt

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Kommentare von anderen Usern

Avatar Snoopi schrieb am 01.07.2020 folgenden Kommentar:
Bei vielen Menschen kam vielleicht irgendwann mal zuerst der Idealismus. Aber dann kam das Geld. Das Geld und die Gier nach dem Geld frass alles. Moral, Anstand, Würde, ja, den Idealismus sowieso.
Ich finde, dass jeder in seiner "kleinen Nische des Lebens" so mit sich und dem Umfeld umgehen SOLLTE, wie er es sich auch von den anderen wünscht, dass diese so mit einem selbst umgehen.