Oct
27

Gruselfahrt zu Halloween


Wieder einmal hat mein Sohn den Bus verpaßt und wünscht persönliche Beförderung von Mama. Das kann schon im Sommer nerven. Jetzt im Spätherbst, kurz vor Halloween, ist es besonders ärgerlich, denn um diese Zeit herrscht noch Dämmerung, die sich nur langsam aufhellt. Trotzdem sind gerade jetzt sehr viele Menschen unterwegs, um noch rechtzeitig zur Schule oder Arbeit zu kommen. Eile ist dabei wichtig. Gesehen werden offenbar weniger.

Es beginnt schon am Ortseingang. Rechts sehe ich 100 Meter Hecke, die in der Dämmerung schwarz erscheint. Inmitten dieser Schwärze nehme ich vage eine Bewegung wahr. Nur die Bewegung, kein sich bewegendes Objekt. Erinnert mich irgendwie an die Grinsekatze, wenn bereits die ganze Katze verschwunden ist und nur noch das Grinsen übrig ist.

Gewarnt durch meine Wahrnehmung fahre ich vorsichtig und bemühe mich, nicht zu nahe an den Straßenrand zu kommen, der direkt an die Hecke mündet. Auf 20 Meter Entfernung löst sich ein Schatten aus der Dunkelheit: Ein Teenager auf einem Rad, cool in Schwarz gekleidet, sogar das helle Haar von einer Kapuze bedeckt. Auch der Rucksack, der wohl als Schultasche dient, ist modisch schwarz. Das Rad ebenfalls. Kein Licht, keine Reflektoren lenken von der Schwärze ab. Sowas ist ja uncool. Wer hat schon Angst vorm bösen Autofahrer?

Aus der Ferne blitzen mich nun zwei rote Augen an. So gewarnt, erkenne ich schon von hier aus, dass an der Straßenmündung ein weiterer Radler steht und auf eine Lücke im Verkehr wartet. Lange bevor ich die Querstraße erreiche, beginnen die roten Augen umeinander zu rotieren, ein zweites Paar taucht auf und auf der grauen Straße ist schemenhaft ein Radler zu erkennen. Von hinten sehe ich über einem strahlenden Rücklicht einen weißen Rucksack schweben und fahre in weitem Bogen um das Objekt.

Plötzlich stehen zwei senkrechte, schmale Streifen an der Straße. Ich erschrecke, bremse und in diesem Moment werden die Streifen äußerst aktiv und rotieren über die Straße. Ich sende ein Dankgebet an den Designer, der auf die Idee kam, Sportsachen mit weißen Streifen an der Seite zu verzieren. Ohne die nämlich wäre der Teenager im Trainingsanzug nicht zur wartenden Freundin auf der anderen Straßenseite gelangt, sondern mit Unterstützung meiner Stoßstange direkt vor Petrus´ Himmelstür.

Wir sind dort angelangt, wo es Bürgersteige hat. Nun haben Fußgänger und kleine Radfahrer wenigstens mehr Sicherheitsabstand, denke ich. Falsch gedacht. Auf dem Bürgersteig quält sich ein Rad vorwärts. Der Dame ist wohl bewußt, dass sie ohne Licht und in dunkler Kleidung auf der Straße zu gefährdet ist. Schwarz macht schlank, leider ist der Effekt nur optisch. Vergeblich versucht ein mit roten und gelben Katzenaugen bestücktes Rad, besetzt mit waagrechten weißen Streifen auf dem Ranzen eines Schulanfängers an der fülligen Dame vorbeizukommen, ohne dabei den für so Kleine vorgeschriebenen Gehsteig zu verlassen.

Ich biege in die Schulstraße ein. Am rechten Rand laufen in Reih und Glied drei weiße Balken, jeder umrahmt von zwei senkrechten, orangen Streifen. Einer der Balken verschwindet immer wieder, erst beim Näherkommen erkenne ich eine Gruppe von vier Kindern. Drei davon sind mit den Ranzen derselben bekannten Marke ausgestattet, die auch mein Sohn trägt, das vierte trägt die aktuelle Modefarbe der Saison. Schwarz zu Halloween wird nur noch übertroffen von blutigroten Spuren, die sich über das ganze coole Outfit hinwegziehen. Bedauerlicherweise bin ich nicht bereit, beim Clou dieser Aufmachung mitzuhelfen.

Links erwartet mich plötzlich ein Blitzlichtgewitter. Inmitten eines Pulks von kleinen Schülern mit mehr oder weniger sichtbaren Balken strahlt eine neongelbe Weste mit Leuchtschrift über einer knallorangen Jacke. Darüber bewegt sich eine neonfarbene Mütze, dahinter ein Ranzen mit den bekannten Balken, darunter eilen zwei Schuhe, die bei jedem Schritt aufleuchten. Vielleicht ist dieses Outfit nicht ganz halloweengerecht, obwohl es auch ein wenig unheimlich wirkt, mir jedoch ist es viel lieber.

Direkt vor der Schule ist ein Zebrastreifen. Vor mir hält schon ein Auto, davor erkenne ich im Licht der Straßenlampe einen Vater, bereits in die schwarz-graue Werkstattkluft gewandet, der sorgsam sein Töchterchen über die Straße und in die Dunkelheit auf der anderen Seite führt. Die Kleine trägt Partnerlook, graues Röckchen, schwarze Jacke, schwarze Strumpfhose. Auf der anderen Seite wird sie verabschiedet und der Vater wandelt alleine zurück. Vor dem Hintergrund der grauen Straße und der Dämmerung ist er kaum auszumachen, nur zwei Sicherheitsschuhe bewegen sich von alleine über die weißen Balken des Zebrastreifens.

Mein Sohn steigt aus. Seine Schule liegt ein Stück zurück von der Straße, so kann ich ihm nachsehen. Nach einer Weile ist auch von ihm nicht mehr viel zu erkennen. Ein weißer Balken hüpft zwischen zwei orangen Halbmonden, rechts und links davon wedeln zwei neongrüne Arme. Auch dieses ist halloweenartig unheimlich - aber deutlich sichtbar! geschrieben am 27.10.2016 von Masmiie

Schlagwörter

gruseln, halloween, schüler, sicherheit, sichtbarkeit

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