May
31

Was macht den Unterschied?


Mir sind schon oft Menschen begegnet, die meinten, sie seien tierlieb. Diese Tierliebe erstreckt sich meist allerdings auf bestimmte Spezies - und oft auch auf besondere Exemplare. Oder sie wird auf seltsame Weise gezeigt.

Bezeichnend ist eine Aussage aus einem Buch, dessen Autorin eine Menge für Tiere übrig hat - und zwar für alle: “Okay, Leoparden und Tiger sind ja wirklich schön und ich wünsche mir auch keinen Pelz mehr. Aber eine Krokodilledertasche werde ich mir doch kaufen, die sind ja eh so häßlich.”
Uh? Weil man die Tiere häßlich findet, darf man die für Luxusgüter abschlachten? Das ist eine Logik, die ich nicht verstehe. Die Autorin übrigens auch nicht, sie schrieb das als Beispiel für eine Denkweise, die für sie nichts mit Tierliebe zu tun hat.

Etliche Menschen scheinen Säugetiere zu mögen, aber allen anderen Wesen die Vernunft und die Gefühle abzusprechen, die sie den Säugetieren zuschreiben. Woher sie wissen, dass eine Schildkröte, die jahrzehntelang in einem Terrarium gehalten wird, in dem sie sich kaum umdrehen kann, nicht leidet; dass ein Papagei, der niemals fliegen darf, aus Gemeinheit und nicht aus Einsamkeit so laut schreit; dass es Fröschen nichts ausmacht, wenn man ihnen ein Bein ausreißt - ich verstehe es nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass nur Säugetiere Empfindungen spüren. Es mag einzelne, sehr primitive Tiere geben, die keinerlei Schmerzempfinden haben - aber selbst das würde uns kein Recht geben, diese Tiere ohne Grund zu töten oder ihnen die Lebensgrundlagen zu entziehen.

Meine Tochter hat in einer Ferienfreizeit einen Biobauern kennengelernt. Der achtet sehr darauf, dass seine Tiere auf die Weide können, sich frei bewegen können und das Futter bekommen, auf das sie seit Jahrtausenden geprägt sind. Die Schafe werden schonend geschoren, die Kühe sanft gemolken und wenn er die Tiere schlachtet, geschieht das schnell und ohne Vorwarnung - keine endlose Fahrt zum Schlächter, keine stundenlange Panik.
Hört er jedoch von einem Wolf im Umkreis von 40 Quadratkilometern, macht er sich mit seinem Gewehr auf, um ihn zu erlegen. Es ist ihm egal, ob der Wolf sich überhaupt menschlichen Behausungen nähert oder sich mit den Mäusen, Ratten und Kaninchen im Wald zufrieden gibt - es reicht, dass er die Tiere des Bauern reißen KÖNNTE. Und der Bauer baut auch keine wolfssicheren Zäune - welche die Regierung bezahlen würde - weil das ja seine Tiere beeinträchtigen könnte. Hinter einem Zaun könnten sie sich eingesperrt fühlen. Sorry, aber dieser Bauer liebt vielleicht seine eigenen Tiere, aber von Tierliebe allgemein kann da keine Rede sein.

Auch Peta erzählt uns viel von Tierliebe. Nur setzt sich Peta nicht dafür ein, dass Tiere so artgerecht und schonend wie möglich gehalten werden, sondern dass sie überhaupt nicht gehalten werden. Hier wird suggeriert, dass am besten alle Menschen Veganer werden - ungeachtet der Tatsache, dass Menschen genetisch nicht auf rein pflanzliche Nahrung geeicht sind, sondern auf Nährstoffe angewiesen sind, welche sich ausschließlich in tierischer Nahrung finden. Und dass, sollten alle Menschen sich vegan ernähren, damit auch so einige Tierarten aussterben würden, kümmert Peta nicht sonderlich. Schließlich sind diese Tiere nur gezüchtet worden, also nicht von der Natur so geformt und dürfen darum auch wieder verschwinden.

Oder vollkommen abartig ernährt werden - Peta fordert allen Ernstes, dass Katzen, die in der Natur zu 99,99% auf Fleisch angewiesen sind, in Zukunft vegan ernährt werden sollen. Und Schafe sollen nicht mehr geschoren werden, sondern lieber in der Sommerhitze zugrunde gehen - wenn die übliche Art der Schafschur eine Quälerei für die Schafe ist, warum fordert Peta keine Richtlinien für das Scheren? Mein Ehemann hat schon öfters Schafe geschoren und versichert mir, wenn man es sanft macht, leiden die Schafe nicht im geringsten. Sie zappeln nicht mal, wenn man sie auf den Po setzt, sondern lassen sich in aller Ruhe vom Fell befreien und genießen nachher die Kühle des kurzen Pelzes. Man könnte die sanfte Art des Scherens zur Pflicht machen. Peta findet es aber einfacher, gleich die Abschaffung von Wolle und damit auch Schafen zu fordern und sich nebenbei für die Umbenennung Hamburgs einzusetzen - der Name ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Veganer, behaupten sie. Ob das die Veganer, in deren Namen Peta hier spricht, eigentlich auch wissen? Und zahlt Peta eigentlich auch für die Schäden, welche die Nordsee verursacht, sobald die Dämme nicht mehr von Schafen gepflegt werden? Naja, wenn durch Petas Aktivität die Schafe tatsächlich nicht mehr gehalten werden dürfen - auch die Deichschafe - wird man sich bald keine Gedanken mehr um den Namen einer Stadt machen müssen, die dann eh unter Wasser liegt.

Wer Fleisch ißt, macht auch da oft Unterschiede. Schwein, Rind, Huhn und Pute dürfen gegessen werden. Hunde, Katzen und Pferde nicht. Unsere Altvorderen hatten solche Skrupel nicht. Für sie war Fleisch einfach Fleisch und sollte nicht verschwendet werden. Nun, verschwendet wird es wohl weniger - denn im Zweifelsfall ernährt es noch die Ameisen und die Fliegen. Oder die Würmer - so wie wir, wenn wir uns begraben lassen, ebenfalls von in der Erde lebenden, carnivoren Tieren und Organismen gefressen werden. Das ist halt Natur.

Und eben die Natur läßt uns Unterschiede machen. Ein Krokodil futtert nicht die kleinen Vögel, die ihm die Zähne putzen - weil sie ihm nützen. Würde aber ein solcher Vogel während dieser Arbeit mit einem Herzschlag tot umfallen, würde das Krokodil schlucken. Wir hingegen betrauern nicht nur das tote Tier, sondern übertragen das auf die ganze Spezies. Weil wir Europäer zu Hunden, Katzen und Pferden persönliche Bindungen aufbauen, erwarten wir, dass alle anderen Menschen diese Rassen von ihrem Speiseplan streichen. Und während wir das Fleisch im Supermarkt kaufen, verachten wir den Bauern, der sich liebevoll um seine Tiere kümmert und sie doch schlachtet, wenn ihre Zeit gekommen ist. Aber auch das ist Natur - das Töten von Tieren, um sie zu essen, nicht die Verachtung.

Als unser Kater vorigen Monat starb, hätten wir ihn einäschern lassen können und seine Asche in einer Urne aufbwahren. Aber welchen Sinn hätte das gehabt? Wir haben ihn an einem Ort begraben, an dem er sich sehr wohl gefühlt hätte, wenn er noch leben würde. Vielleicht erfreut sich seine Seele daran, während sein Körper allmählich zerlegt wird und wieder in die Natur zurückkehrt. Die Erinnerung an ihn bewahren wir uns nicht in seiner Asche, sondern in den hunderten von Fotos, die beim Durchblättern meiner Alben nun zum Vorschein kommen - da sehen wir, wie sehr der Kater unser Leben geteilt hat.

Wieweit man mich als tierlieb bezeichnen kann, weiß ich auch nicht. Ich gestehe zwar jedem Tier das Recht auf Leben zu. Aber ich beanspruche auch Rechte für mich. Kein Lebewesen geht durch die Natur, ohne Spuren zu hinterlassen, warum sollte der Mensch anders sein? Nur sollte es eben keine Spur der Verwüstung sein wie in den letzten Jahrhunderten.

Tiere richten nicht. Sie entscheiden nicht, diese Tierart mag ich, die darf leben und die andere nicht. Aber auch sie entscheiden nach der Nützlichkeit - Beute wird nunmal gejagt und gefressen, Nahrungskonkurrenten verjagt. Ich mache das ähnlich. Obwohl ich eigentlich alle Tiere mag, bin ich mit einigen Arten auf Kriegsfuß. Aber nur in meinem Revier. Baumwanzen oder Weberknechte, die mir nachts übers Gesicht laufen, werden gnadenlos via Fenster nach draußen expediert. Dort können sie bleiben, ich verfolge sie nicht weiter und wenn ich wieder bei offenem Fenster und mit Licht schlafe, bin ich selbst schuld, wenn so ein Viech reinkommt.
Motten kann ich nicht nach draußen beförden, dafür sind sie ein sehr ernsthafter Nahrungskonkurrent, denn was sie nicht fressen, verderben sie. Die töte ich tatsächlich, wenn ich sie erwische. Flattern sie oder ihre Verwandten, die Nachtfalter, draußen rum, störts mich nicht - das ist nicht mehr mein Revier. Sitze ich abends draußen und die Mücken flattern umher - nun, es gibt genügend Düfte, die sie abschrecken. Warum sollte ich die Ausrottung der Mücken fordern - neulich habe ich eine Petition erwischt, die genau das allen Ernstes forderte? Als ich noch hoch im Norden wohnte, habe ich es genossen, die Schwalben auf ihrer abendlichen Jagd nach den Mücken zu beobachten. Ohne Mücken keine Schwalben, ohne Schwalben wären die Kuhställe voller Fliegen, ohne Fliegen würden wir in Kuhschiet ertrinken, ohne Kühe hätten wir kein Fleisch zu essen und müßten auf synthetisches Vitamin B12 zurückgreifen. Es hängt alles zusammen.

Tiere machen Unterschiede, wen sie töten und wen sie in Ruhe lassen. Aber sie kümmern sich nur um die Kreaturen, die ihren Weg kreuzen und auch nur dann, wenn das entsprechende Bedürfnis da ist. Außerhalb der Brutzeit vertragen sich Singvögel meist besser miteinander - sobald die Zeit der Werbung beginnt, werden die Reviere abgesteckt und wehe, einer überschreitet die Grenzen. Ist der Löwe satt, kann die Gazelle direkt vor seiner Nase herumspazieren, es juckt ihn nicht - aber wehe, er hat Hunger. Tiere kennen keine Sippenhaft. Keine Biene würde die Ausrottung der Hornissen vorantreiben. Kommen aber Hornissen in den Stock, wird erbittert auf Leben und Tod gekämpft. Menschen hingegen verurteilen gerne eine ganze Art. Und das, ohne überhaupt zu wissen, welche Rolle diese Art in der Natur spielt und was geschieht, wird sie ausgerottet.

Auch die Natur macht Unterschiede darin, wer leben darf und wer nicht. Überleben wird immer der, der am besten an die jeweilige Situation angepaßt ist. Wir Menschen haben da einen gewaltigen Vorteil, weil wir uns mit vielerlei Hilfsmitteln besser anpassen können als es den Tieren möglich ist. Aber eben darum sollten wir uns genau überlegen, wo, wann und warum wir einen Unterschied machen. geschrieben am 31.05.2018 von Masmiie

Schlagwörter

unterschied, natur, peta, leben, sterben, sippenhaft, ausrottung

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Kommentare von anderen Usern

Avatar Tom-Cat schrieb am 08.06.2018 folgenden Kommentar:
Von so einen BioBauern hab ich noch nie gehört *kopfschüttel*