Nov
19

Vierzehn Jahre alt


Ich versuche gerade, mir die Szene vorzustellen:

Da ist eine Moschee in Bagdad, gut besucht. Menschen laufen umher, viele beten, andere sprechen leise miteinander, ein Imam hört einem Gläubigen zu. An der Tür zieht jemand die Schuhe aus, daneben stehen Wachen, die alles genau beobachten, aber Ruhe und Frieden in der Moschee so wenig wie möglich stören.
Ein vierzehnjähriger Junge betritt die Moschee. Er zögert, sieht sich um, dann scheint er einen Entschluss gefaßt zu haben. Er geht auf die Wachen zu und übergibt ihnen eine Schusswaffe. "Ich trage einen Sprengstoffgürtel", sagt er ihnen. "Bitte nehmt ihn mir ab, ich will nicht sterben."

Die Szene hat tatsächlich stattgefunden. Ein 14-jähriger Syrer geriet in die Fänge des IS, zweifelte aber bald. Zum Einsatz meldete er sich freiwillig, weil er darin eine Chance sah, dem IS zu entkommen - und nebenbei ein Attentat zu verhindern. Die Geschichte mag ein Hoffnungsschimmer sein, ein Zeichen, dass auch IS-Kämpfer zweifeln und gewandelt werden können. Sie zeigt aber auch, wie der IS Kinder einsetzt. Erst vor kurzem wurde ein weiterer Vierzehnjähriger an einem Checkpoint mit einem solchen Gürtel erwischt. Er nahm ihn freiwillig ab, fragte die Soldaten, ob sie ihm nicht helfen könnten. Auch hier: "Ich will nicht sterben!"

Initiator des Ganzen ist ein Mann, der sich selbst als Kalif über alle sieht (vergleichbar dem Papst, der ja auch Stellvertreter Gottes auf Erden sein soll) und dem diese Jungen Treue schwören mußten. Vor Kameras wiederholt einer die Worte: "Ihr sollt mir und nur mir absolut und in allen Dingen Gehorsam leisten .... so wahr euch Gott helfe ..."
Schwören mußten sie dem Mann, der gerade noch predigte: "Gott hat mich zum Kalifen über euch gesetzt und doch bin ich nicht mehr als ihr ..." Schöne Worte. Er erhebt sich nicht über seine Gläubigen, hält sich nicht für besser als sie - solange sie ihm bedingungslos gehorchen. Und er befiehlt Kindern, sich einen Sprengstoffgürtel anlegen zu lassen und eine Moschee zu sprengen.

Es sind so einge Kinder, die für ihn starben. Die vergewaltigt wurden, als Sklaven mißbraucht oder verkauft. Auch deren Eltern versklavte er - sie arbeiten für ihn, zahlen horrende Steuern, damit sie in den besetzten Gebieten überleben, ihr Besitz wird beschlagnahmt. Die Organisation, deren Führer ein Leben in Einfachheit und ohne dekadenten Luxus predigt, gilt als eine der reichsten. Zum größten Teil stammt der Reichtum aus der Unterdrückung der Menschen in seinen eroberten Gebieten. Seine Kämpfer hingegen werden gut entlohnt, nicht nur mit Geld, sondern auch mit Frauen. Ab 9 Jahren gilt ein Mädchen als Frau. Zumindest, wenn sie zu den Menschengruppen gehört, die der IS in seiner Gewalt hat. Denn so viele Flüchtlinge auch hier ankamen, noch mehr konnten nicht fliehen - der IS bewacht sie gut.

Der Mann, der hinter allem steht, nennt sich selbst den Nachfolger Mohammeds und den Stellvertreter Gottes. Ich bezweifle stark, dass einer der beiden sich von diesem Herrn wirklich gut vertreten fühlt. Aber seine Argumente überzeugen viele. Er findet immer die richtigen Worte, um sein Handeln zu erklären. Er ist Doktor der Theologie (der islamischen), er war Muezzin und unterrichtete Kinder. Auch die Kinder, die er nun als Waffen einsetzt.

Für mich ist er vor allem jemand, vor dem man die Kinder beschützen muss. Auch ihre Eltern, aber vor allem die Kinder. Für die anderen Terroristen-Vereinigungen, Hamas, Kaida, Nusra ist er eher FEind als Verbündeter- sie haben sich von ihm abgewandt, seine Methoden sind selbst für sie zu grausam. Ihn kümmert das wenig. Bei Anschlägen wurde auch Freunde von ihm getötet - vorsätzlich, auch das kümmert ihn nicht. Es scheint, als ob ihn nur eines kümmert: den Menschen Abu Bakr al Baghdadi - er selbst. geschrieben am 19.11.2015 von Masmiie

Schlagwörter

is, kinder, 14 jahre

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Kommentare von anderen Usern

Avatar ladaci schrieb am 26.01.2016 folgenden Kommentar:
In Österreich sagt man "Mir stellts die Ganslhaut auf"

Sehr schön geschrieben, mas !

Avatar Masmiie schrieb am 16.12.2015 folgenden Kommentar:
Wie kommst du auf die Idee, dass ich um Verständnis für den IS geworben hätte? Oder meinst du mit "diese Menschen" den gesamten Islam oder die Menschen, die vor dem IS fliehen? Dafür wiederum hätte ich kein Verständnis.

Avatar yvonne2601 schrieb am 16.12.2015 folgenden Kommentar:
dazu hab ich leider garnicht viel zu sagen, ausser, dass ich deshalb trrotzdem nicht mehr verständnis und auch nicht mehr sympathie für "diese" menschen habe....eher im gegenteil.....