Sep
30

Nehmen und Geben - das soziale Miteinander


Es liegt in der Natur des Menschen, sich bis zu einem gewissen Grade sozial zu verhalten. Wann genau der Punkt erreicht ist, an dem es zu viel wird scheint mir individuell verschieden und liegt wohl an den Charakterzügen und Erfahrungen jedes einzelnen.

Es gab Zeiten, da musste ich auf die soziale Ader anderer vertrauen und deren Hilfe annehmen. Ich hab das nie gerne getan, schließlich muss man sich selbst und manchmal auch anderen gegenüber eingestehen, eine Situation allein nicht meistern zu können.
Heute bin ich froh darüber, das erlebt zu haben.

Es war einmal
Eine sehr große Hilfe erfuhr ich 2002.
Meine ersten Gehversuche im Internet sahen so aus, dass ich eigentlich wochenlang online war und nicht mehr als eine Seite kannte: Trabi.de (braucht man nicht aufrufen, die Seite ist heute nur mehr schlimm.) Früher war das ein einfacher, ehrlicher Chat mit dem gemeinsamen Thema des Trabants. Zwar hatten wir alle den gleichen Faible für dieses niedliche Auto, aber die Gespräche führten in jede nur denkbare Richtung. Auch ein Pärchen fand damals da zueinander.
Ich schweife ab.
Im August 2002 meinte die Elbe, mich mal zuhause besuchen zu wollen. Die Medien nannten es damals "das Jahrhunderthochwasser". Erstens war es nicht das Jahrundertereignins, wie man meinte und zweitens war das alles andere als Wasser.
Es war Schlamm, Heizöl, Lacke und Farben, schimmlige Lebensmittel, tote Tiere und stank auf eine Weise, die ich niemals wieder irgendwo gerochen habe.
Ich durfte kurz vor dem Dammübertritt noch ein einziges Mal an der Polizeisperre vorbei, um wichtiges aus der Sperrzone zu holen. Was ich schnell noch retten konnte war mein Trabi und ein sehr alter Klappfix 64. Mehr Zeit war nicht.
Ich verbrachte die Zeit bei meiner Mutter auf dem Berg mit Nachrichten verfolgen. Mindestens einmal täglich fuhren wir an eine Stelle am Berg, von wo aus man unser Haus sehen konnte und verfolgten den Wasserstand so live. Jeden Tag verzweifelte ich mehr und die Hoffnung, dass irgendwas von meinem Leben übrig bleibt schwand.
Wir telefonierten viel mit Kollegen, Freunden und Verwanden. Auch mit denen aus dem Trabi-Chat, die täglich einen Status hören wollten.
Einige kannte ich vom Trabi-Treffen in Zwickau, die meisten eigentlich bis dahin nur vom Nicknamen her.
Der Wasserstand stagnierte und ging langsam zurück. Dann kam ein Anruf, dessen letzter Satz genau war "Sei mal einfach Samstag da"
Ich tat also wie mir geheißen. Die Prognosen stimmten, an diesem Samstag konnte ich tatsächlich wieder in das, was mal ein Zuhause war. Ich stand mit meiner Schwester ziemlich ratlos inmitten der schlammigen Trümmer und konnten nicht fassen, welche Zerstörung Wasser anrichten kann. Ein schlimmes Gefühl, alles zu verlieren, schließlich war der Wasserstand in der Wohnung bei 1,70m - da waren nur mehr die Deckenlampen trocken und sauber.
Gemein im Gegensatz zum Feuer ist ja auch, dass man alles noch sieht, was da war, nur halt kaputt.
Plötzlich hupte es, vertraut irgendwie.
Wir gingen nach draußen und sahen die Trabi-Freunde mit ihren tollen Autos, auch ein Wartburg war dabei. Sie hatten alles dabei: Gummistiefel, Handschuhe, Picknick, Getränke..
Sie verbrachten den gesamten Tag damit, den stinkenden schlammigen Hausrat, die kaputten Möbel zur Straße zur Massenentsorgung zu bringen, wobei alles angeschaut wurde, ob daran noch was zu retten sei.
Einer gab mir noch einen Umschlag mit einigen Euro drin, von seinen Eltern. Die kennen mich bis heute nicht, wollten aber direkt helfen. Einer war zu der Zeit noch im Urlaub und überwies mir Geld als Spende. Die Administratorin von Trabi.de wohnte einfach zu weit weg, um persönlich zu helfen. Sie schickte mir 2 Care-Pakete mit dem Allernötigsten: Bettzeug, Handtücher, ein Weckradio.

Klar hab ich damals echt viel verloren, was mir keiner wiedergeben kann, sowas wie das Fotoalbum oder die füllergeschriebenen Zeugnisse, aber ich möchte die Erinnerung an diese erlebte Kameradschaft, diese Hilfsbereitschaft nicht missen.

Bitte weitergeben
Ich habe festgestellt, dass es meist nicht möglich ist, demjenigen etwas zurückzugeben, der dir geholfen hat. Das ist vielleicht auch nicht zwingend nötig. Vielleicht ist es einfach so, dass jeder seine Möglichkeiten nutzen sollte, anderen zu helfen. Egal wem. Wenn mir etwas gutes widerfahren ist, dann gebe ich das gerne an andere weiter und hoffe, dass die ihrerseits das gleiche tun.
Denn wie sagte schon Mahatma Gandhi: "Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt!"

FB-Beitrag zu dem Ereignis geschrieben am 30.09.2017 von ladaci

Schlagwörter

hilfe, sozial denken, sozial handeln

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Kommentare von anderen Usern

Avatar ladaci schrieb am 01.10.2017 folgenden Kommentar:
Mein ganzer Text in einem Video:

https://www.facebook.com/JusticeCarradine/videos/893879530751228/?hc_ref=ARTRPBrHbrusDPK-Jh16SNZ9yddg4umUITzUS8NlU5ElHWqug6nMuyPq700E6EjU7Xs

Avatar Snoopi schrieb am 30.09.2017 folgenden Kommentar:
Wenn jeder seinem Nächsten hilft und der wieder jemand anderem und viele mitmachen, dann ist allen geholfen.
Schön wäre es.
Aber Ladaci hat es erlebt.
Also IST ES MÖGLICH. :)

Avatar Masmiie schrieb am 30.09.2017 folgenden Kommentar:
Genau darum geht es - gibs weiter. Eine Kette der Hilfe - und wer weiß, vielleicht schließt sich irgendwann der Kreis ....