Aug
02

Mit Schlagzeilen kann man jemanden erschlagen


So ist jedenfalls mein Eindruck. Am liebsten wird auf dem Sinn einer Nachricht herumgeprügelt, gleich danach bekommt der gesunde Menschenverstand seine Keile ab. Auch Grammatik und Wahrheit bekommen ihr Teil ab. Geplant war das meistens nicht. Da hat sich ein Reporter oder Redakteur doch nur um einen lebhaften, außergewöhnlichen, ins Auge fallenden Satz bemüht, der den Leser neugierig auf den folgenden Text machen sollte. Hätte er sich doch nur an die alte Regel "Kurz und prägnant" gehalten ... Prägnant bedeutet übrigens zutreffend, nicht sinnverdrehend.

Ich weiß nicht mehr, worum genau es damals ging. Aber die Überschrift Geiseldrama am Bibel-Berg ist mir im Gedächtnis hängengeblieben. Zum einen, weil ein Drama ein Schaustück, eine Aufführung ist, also ein Spiel - ich bezweifle jedoch, dass die erwähnten Geiseln das Ganze als Spiel und nicht als Ernst aufgefaßt haben. Zum anderen jedoch - was hat man sich unter einem Bibelberg - sorry, ganz im Sinne der heutigen Zeit natürlich mit Trennstrich Bibel-Berg geschrieben, obwohl sich das Wort auch ohne gut lesen läßt - eigentlich genauer vorzustellen? Meine erste Idee, dass jemand ein Schauspiel über eine Geiselnahme in Szene gesetzt hat und zu diesem Zweck einige tausend Bibeln auf der Bühne aufhäufen ließ, erwies sich als falsch. Der Bibel-Berg entpuppte sich als der Ararat. Ein ganz gewöhnlicher Berg, in der Hauptsache aus Gestein und nicht aus Bibeln bestehend, gute 5000 Meter hoch und bei weitem nicht der einzige Berg, der in der Bibel erwähnt wird. Warum gerade er dieses Namens für würdig erachtet wurde, weiß wohl nur die Redaktion. Der häufigste Grund für diese Art Wortkreation, nämlich Platz zu sparen, kommt hier übrigens nicht in Frage - Ararat hat deutlich weniger Buchstaben als Bibel-Berg, zumal hier gleich zwei Großbuchstaben und ein störender Strich berücksichtigt werden mußten.

Etwa zur gleichen Zeit informierte mich eine andere Zeitung, dass es keine Bewährung für die U-Bahn-Treter geben würde. Recht so! Jemand, der so entmenscht ist, dass er auf eine wehr- und schutzlose U-Bahn eintritt, noch dazu, wenn sie eh schon am Boden liegt, verdient wahrlich keine Gnade.

Überhaupt scheinen mehr oder weniger harmlose Gegenstände öfters Opfer von Gewalttaten zu werden. Eine neuere Schlagzeile informiert mich: Messer-Angreifer wohl IS-Sympathisant. Sowas, jetzt geht der IS nicht nur gegen Christen, Jesiden und nicht-radikale Moslems vor, sondern auch noch gegen Messer. In Zukunft wird das halal zubereitete Döner wohl mit der Schere geschnitten werden müssen.

Um derartigen Terror gar nicht erst geschehen zu lassen, geht man neuerdings dazu über, verdächtige Subjekte aus fernen Ländern zurück nach Hause zu expedieren. An und für sich keine schlechte Idee, obgleich die schlußendlichen Täter meist diejenigen sind, denen es keiner zugetraut hätte. Aber dies überraschte mich dann doch: Terror-Gefährder nach Rußland abgeschoben. Nicht der Länderwahl wegen, der junge Mann ist gebürtiger Russe. Aber wenn wir schon jemanden im Lande haben, der eine Gefahr für den Terror darstellt, setzen wir ihn Putin in den Schoß anstatt ihn den hier vorhandenen Terror weiter gefährden zu lassen? Seltsame Entscheidung ...

Wer Angst und Schrecken verbreiten will, läßt sich oft durch nichts aufhalten. Nicht mal durch den eigenen Tod. Oder wie bitte konnte es dazu kommen: Schießerei mit Toten bei Fluchtversuch aus Moskauer Gericht. Da wollte man wohl Leichen vor den Kadi zerren und weil denen das nicht paßte, haben sie um sich geschossen und sind zurück zum Friedhof geflohen?

Alliterationen sind einprägsam, billig und beliebt. Aber nicht immer am Platze. Mit Playboys, Promis, Pelzmäntel ist ein Artikel betitelt, der den Rückgang der Gästezahlen in St.Moritz beklagt. Nun gibt es ja immer mehr Promis, seit wir immer weiter im Alphabet zählen, auch die Playboys sterben nicht aus - aber die Pelzmäntel! Ob den Aktivisten von PETA klar ist, dass sie zum wirtschaftlichen Ruin der St. Moritzer beitragen mit ihrer Verfemung der Pelzmäntel? Sie waren so gern gesehene Gäste dort, haben sich nie über zuwenig Schnee oder schlechtes Essen beklagt und waren zufrieden, einfach nur ein bißchen abhängen zu dürfen.

Die Fantasien der Terroristen werden immer abstruser. In Australien kam man auf eine besondere Idee: Fleischwolf sollte Tod bringen. Etwas umständlich, weil jedes Terroropfer einzeln durch den Wolf gejagt werden muss, dafür ist sichergestellt, dass keiner überlebt. Leider dauerten die Vorbereitungen zu lange, so konnten die Herren dingfest gemacht werden, bevor sie den Wolf in Betrieb setzen konnten - bzw. die darin versteckte Bombe auslösen konnten. Das nämlich sollte eigentlich ausgesagt werden. Die Überschrift klang allerdings so, als sollte das an und für sich harmlose Küchengerät als Mordwaffe dienen.

Wie gesagt, mit solchen Schlagzeilen kann man jemanden erschlagen. Ich jedenfalls bin ganz erschlagen von diesen seltsamen Meldungen, die so oft etwas ganz anderes suggerieren als sie eigentlich mitteilen wollten. Und sie erwecken in mir den Wunsch, auch jemanden zu erschlagen - nämlich die Verfasser dieser abstrusen Überschriften. geschrieben am 02.08.2017 von Masmiie

Schlagwörter

schlagzeilen titel Überschriften aussagen

Lesenswert Empfehlungen 8

Avatar Avatar Avatar Avatar Avatar Avatar Avatar Avatar


786 Besucher



Kommentare von anderen Usern

Avatar Snoopi schrieb am 03.08.2017 folgenden Kommentar:
VIELLEICHT denken einige Newsschreiber *ähm* Nachrichtenartikelschreiber/innen, dass sie - egal mit welchen Mitteln - dafür sorgen MÜSSEN, dass der Artikel angeklickt und gelesen werden MUSS.

Oder lässt die Bildung bei Ihnen nach bzw. werden auch unqualifizierte Leute eingestellt?
Sind die billiger "zu haben"?

In Zeiten von Fakenews und anderem Müll lohnt es sich IMMER, genau nachzuschauen, hinzuschauen, zu recherchieren UND das eigene GEHIRN zu benutzen.

Das "Gehirn" ist übrigens IM Körperteil, welches sich oberhalb des Halses befindet.
Weil bei einigen Menschen scheint es entweder im Dauerschlaf oder verloren gegangen zu sein.

Danke Masmiie, dass es Menschen wie Dich gibt. Clever, intelligent, hell wach und Schriftstellerin des Jahres 2017. :-D

:-)