Feb
28

Der Zauber der Nordsee


Es hatte lange nicht geklappt, einen Urlaub zu buchen. Die Kinder kannten nur Besuche bei den Opas und Ferienfahrten mit der Schule, beim ersten Urlaub in Butjadingen waren sie zu klein, als dass Erinnerungen geblieben wären. Während mir noch lebhaft im Gedächtnis geblieben ist, wie eine damals dreieinhalbjährige Maus nach einigen Stunden Fahrt aufgeregt fragte: "Wann kommt denn jetzt der Urlaub?" Offenbar stellte sie sich eine Person darunter vor ... wie auch unter der Nordsee. Denn als wir damals endlich Butjadingen erreicht hatten, spät am Abend, fragte sie besorgt, ob die Nordsee noch offen habe.

Immerhin die Größe der Nordsee war ihr im Gedächtnis geblieben. Auf der Fahrt informierte die mittlerweile elfjährige den neunjährigen Bruder, dass die Nordsee riesig groß sein, heftige Wellen habe und nach Salz schmecke. Und er nicht wie sie damals erschrecken solle, wenn die Nordsee plötzlich weg ist. Das kommentierte Spatz empört mit: "Menno, ich weiß doch, was Flut und Ebbe ist, steht doch in meinen Büchern!"

Von Bayern aus ist die Nordsee weit weg, darum ein Zwischenhalt in Kassel. Auch ein Hotel war für Spatz neu, die Maus versicherte gleich, diesmal nicht an die Zimmerbar zu gehen: "Jetzt weiß ich ja, dass das alles kostet!" Das Familienzimmer wurde angestaunt: "Mama, muss ich mit dem da ins Doppelbett oder kann ich bei dir? Aber du willst bestimmt wieder mit Papa in einem Bett schlafen!" Ich kann aber vermelden, dass im gegenüberliegenden Doppelbett die Nacht über doch leidlich Ruhe herrschte. Man hat sich vertragen.

Dann bewies die Maus wieder ihr Gedächtnis: "War hier nicht so ne Riesenschaufel in der Erde?" Ja, am Fuldaufer steht eine gewaltige Spitzhacke, von beiden Kindern bestaunt und beklettert. Auch das Iguanodon vorm Naturkundemuseum wurde begeistert begrüßt. Am nächsten Tag durften die Kinder dann auch noch den Herkules auf seinem Berg besuchen "Der ist ja nackt!" und die Kaskaden bewundern, die trotz Bauarbeiten und ohne Wasser beeindruckten. Die Maus jedenfalls hat etliche Bilder davon gemacht.

Auf dem weiteren Weg wollte Spatz genauer informiert werden, was Butjadingen denn nun eigentlich sei. Denn im Atlas suchte er den Namen vergeblich. Wir erklärten ihm, dass es auch keine Stadt, sondern eine Halbinsel ist. Gegenfrage: "Ist das eine Insel ohne Waser drumrum?" Da dem nicht so ist, zeigten wir ihm im Atlas die betreffende Stelle. Worauf Spatz auffiel, dass Butjadingen zwar südlich am Land hängt, westlich aber die Jade hat, nördlich die Nordsee und östlich die Weser und dann nicht ganz unrichtig bemerkte: "Das ist keine Halbinsel, sondern eine Dreiviertelinsel." So genau habens die Kartographen denn halt doch nicht genommen ...

Ein Bauernhof mitten in dieser Wie-auch-immer-Insel hatte uns eine Wohnung vermietet. Das erste Willkommen kam von der Hofhündin, von der Maus entzückt, von Spatz etwas ängstlich erwidert. Schon am zweiten Tag kam Spatz auch folgerichtig mit einer Schramme an, die er der Hündin zu verdanken hatte. Da die Kinder versucht hatten, in den Kuhstall zu gehen, bin ich ihr dankbar, dass sie Spatz am Weitergehen hinderte. Der imposante Stier da drin - wir durften ihn später in Begleitung der Bäurin bewundern - hätte den zarten Spatz beim versehentlichen Niedertrampeln vermutlich nicht einmal bemerkt.

Nach den Kühen waren die Deichschafe dran, immerhin war der Maus die letzte Führung nicht mehr geläufig. Diesmal waren beide Kinder alt genug, um die Bade- und Schervorrichtungen zu besehen und die Schafe zu füttern. Direkt neben der Schäferei, auf der anderen Seite des Deiches, wird "Butjadingen gemacht", also mittels kleiner Vordeiche Land gewonnen. Die dort entstehenden Salzwiesen sind Naturschutzgebiet, dürfen aber besichtigt werden. Ehemann und Tochter zogen trotz der späten Stunde noch los, Ehemann lieh sich Spatzens Mütze, Tochter meine Kamera. Die entstandenen Bilder sind es wert, dass Spatz und ich anderthalb Stunden auf die "Nur-ein-paar-Minuten"-Gucker warten mußten und ich irgendwann schimpfte: "Nu s-tehn wa hia un die komm nich bei." Spatz stutzte und fragte dann: "Mama, kannst du bitte wieder bairisches Deutsch reden?" Sorry, aber nach 5 Minuten da oben s-tolper ick wieda üban s-pitzen S-tein ...

Bremen mußte selbstverständlich auch angesehen werden. Schließlich wollten die Kinder endlich sehen, wo Mama her ist. Roland "Wow, den gibts ja wirklich!", Dom "War das Dach auch schon grün, als die dich da getauft haben?" und Stadtmusikanten. Letztere wurden erst erklettert, dann stellten die Kinder ihre eigene Pyramide auf "Das können wir auch!" Spatz erwies sich als besonders mutig, denn er nahm, wenn auch zögerlich, den Bonbon von dem riesigen goldenen Mann vorm Rathaus an und war sehr erleichtert, dass der ihm nichts tat. Nunja, Pantomimen sind nicht jedermanns Sache.

Die Moorseer Mühle erwies sich als besonderer Anziehungspunkt. Zum Kinderbacken in der dazugehörigen Bäckerei meldeten sich beide an. Getreide fühlen, Mehl selber mahlen und kleine Mäuse aus Teig formen - sie waren voll Hingabe dabei. Während der Backzeit durfte man ins Museum hoch, beide sausten. Während uns die Maus später über die verschiedenen Mühlentypen aufklärte, blieb Spatz am Schaukasten mit den Erntefahrzeugen der letzten anderthalb Jahrhunderte hängen. Kleine Jungs und Modellautos eben ...

Am nächsten Tag wollten die Kinder die Mühle selbst besichtigen, mit Papa. Ich hatte sie ja schonmal gesehen und abfotografiert und bin zu gehbehindert, um da nochmal die schmalen Treppen zu erklimmen. Dafür machte die Maus Fotos. Zusammen mit den Fotos von den Salzwiesen haben wir jetzt eine nette Galerie von "Fuß im Turnschuh vor wechselndem Hintergrund". Sie wollte damit allerdings nicht ihren Standpunkt klarstellen, sondern die Größe des fotografierten Objekts dokumentieren.

Die Nordsee selbst wurde erstmal befahren, mit der WEGA II - das ist das einzige Schiff, welches hier im Naturschutzgebiet die Robbenbänke anfahren und sich dort sogar trockenfallen lassen darf. Unser Ziel war allerdings ein Leuchtturm - und der Inhalt einiger großer Boxen, die auf der Fahrt mit dem gefüllt wurden, was sich im Netz fand. Krabben - vielmehr Nordseegarnelen -, Krebse, junge Aale und Schollen wurden vom Kaptitän erklärt, von den Passagieren bestaunt und später zu ihrer großen Erleichterung wieder in die See gekippt. Das war, nachdem wir den Leuchtturm passiert hatten, der - aus leuchtendrotem Wellblech - aussah "wie aus Wellpappe geklebt."

Einen Strand hatten die Kinder bislang noch nicht gesehen. Beim ersten Mal war es zu nass und zu kalt gewesen. Diesmal war das Wetter besser und die Kinder erkundeten begeistert den riesigen Sandkasten, der sich da auftat. Spatz liebte vor allem die Sandspielgeräte in der Nordseelagune und kurbelte Sand aufs Spielhaus hinauf, um ihn durch eine Röhre wieder runterrutschen zu lassen. Die Maus, eigentlich zu groß für solche Spielchen, kniete doch tatsächlich am Ufer und grub Tunnel fürs Wasser.

Die Nordseelagune fand vollen Anklang. Dort nämlich hat man die Nordsee in Becken aufgefangen. Nicht so am Piratenstrand, der dafür großartiges Watt bot. Die Maus wollte schwimmen, aber "Sobald ich die Nordsee erreicht hab, ist die wieder weg!" Spatz probierte derweil aus, wie die Bojen befestigt waren, die den Schwimmbereich markierten, bekam sie aber zum Glück nicht los.

Der Piratenstrand hat dafür eine andere Attraktion - den Capitano Olé. Um mit ihm zu lernen, ein Pirat zu sein, braucht man nur einen Laufpass zu kaufen und darf dann alle darauf verzeichneten Stationen besuchen - Piratenschminken, Kopftuchbemalen, Klettertraining - und vor allem die Schatzsuche und das immer wiederkehrende Tanzen. Das "Er kann rudern, er kann segeln, er kann Fische fangen auf hoher See", hab ich manchmal heute noch als Ohrwurm. Und die Kinder können die dazugehörigen Tanzschritte auch noch.

Bei der Schatzsuche kann man den Laufpass nicht brauchen, also zeichnete ihn Capitano Olé vorher ab und sagte dann etwas, was ich auch immer wieder zu hören bekomme - es hat beiden Kindern prächtig gefallen: "So, nun bringt die Laufpass zu eure Mama. Wenn Mama nicht da, dann tut die Pass in eure Tasche. Wenn ihr habt kein Tasche - ja, dann wir haben eine Broblem." Vermutlich bringt er den Spruch jedes Wochenende, aber er kam wie spontan heraus. Jedenfalls bestanden beide Kinder alle Prüfungen, bekamen Urkunde und Medaille und ihren ersten Rum eingeschenkt - stand jedenfalls auf der Flasche, die im Übrigen sehr den Apfelschorleflaschen ähnelte, die wir so oft kaufen. Auch die Farbe des Inhalts stimmte überein.

Das Ganze war also eine Mischung aus Aktivität und Ruhe. Die Kinder konnten sich austoben, ich konnte mich jederzeit wohin setzen, stricken und die Kinder beobachten. Und den vertrauten Dialekt sowie den Wind genießen - mir kommt Bayern heute noch viel zu windstill vor - ich bin ruhige Luft einfach nicht gewöhnt.

Gefallen hat es allen. Ich fragte beim Abschied, ob man uns wieder als Gäste nehmen würde - trotz der zwei Figuren, die wir zerbrochen, aber auch wieder geklebt haben - man sagte ja. Auch die Kinder fragen, wanns mal wieder hingeht. Sie wollen nochmals in der Mühle backen, die Lagune und die Spielscheune besuchen, nochmals den Schatz suchen und diesmal die Seehunde sehen. Ok - wenn ich genug Primeln sammeln kann ... ;) geschrieben am 28.02.2017 von Masmiie

Schlagwörter

urlaub nordsee mühle piraten

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Kommentare von anderen Usern

Avatar BlackPanther schrieb am 20.08.2017 folgenden Kommentar:
ja, das kannst du laut sagen. Ich freu mich aufs nächste mal - dann kann ich die kletterwand vieleicht sogar ohne Hände bewältigen ;)

Avatar Snoopi schrieb am 01.03.2017 folgenden Kommentar:
Toller Urlaub. :-)
Toller Bericht. :-)
Und dann hat der Urlaub sogar Deiner ganzen Familie gefallen.